Schuld ohne Sühne – Überlegungen zu Benjamin und Pasolini

Felix Ensslin

Veranstaltungsreihe

Schuld und Schulden. Leben im Debtfare-Staat

Studienrichtung

Fachbereich Theorie

Ort & Zeit

Di, 12. Jan 2016, 19:30 Uhr

Felix Ensslin ist Philosoph und Professor an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart.

Vor Kurzem wurde Pasolinis „Salò“ restauriert und in unzensierter Fassung auch in Deutschland neu aufgeführt. Im Kontext seiner Analysen vom „Ende der Glühwürmchenzeit“ und seiner Rede vom „Konsumfaschismus“ wurde der Film oft als Pasolinis politisches Vermächtnis gelesen und der kurz darauffolgende Mord an ihm als ein dramaturgisch notwendiges Denoument, als Schlussakt von tragischer Notwendigkeit und Index eines unentrinnbaren – und daher auch nicht mehr politischen – Schicksals. Dagegen will ich Pasolini mit seinen späten Schriften und „Salò“ gemeinsam mit Benjamins kurzem Text über den „Kapitalismus als Religion“ lesen: Beides soll Ausgangspunkt, nicht götterdämmernder Schlussakt, einer auch psychoanalytisch informierten Analyse einer Subjektivität der „Kontrollgesellschaft“ (Deleuze) sein, deren psycho-soziales „Alleinstellungsmerkmal“ (im buchstäblichen Sinne) die Ubiquität und Permanenz von „Schuld“ und „Schulden“ ist – in eben dieser psychischen und sozialen Doppelung, die im Deutschen dem Wort schon immer eingeschrieben ist.