Der graue Schwan – Prolegomena zum Wissen der Wissensgesellschaft

2012

Fachbereich Theorie

Autor

Jürgen Riethmüller

Art

Publikation

Studienrichtung

Fachbereich Theorie

Die beliebte Diagnose der „Wissensgesellschaft“ verdeckt, dass keineswegs geklärt scheint, von welchem Wissen hier die Rede ist. Vor der zeitdiagnostischen Analyse muss daher in epistemologischer Hinsicht eine kritische, transdisziplinär angelegte Begriffsarbeit stehen, blickt man etwa nur auf die Unterschiedlichkeit einiger relevanter nicht-expliziter Wissensarten (wie etwa kulturelles, prozedurales, unbewusstes, implizites, Netzwerkwissen usw.).

Bleibt dies aus, prägen weiter zählebige Mythen unser Wissen vom Wissen; der graue Schwan steht dann bildhaft für jenen eigenartigen Zwang, diesbezüglich Zentrales leichthin zu ignorieren: Weder besteht Wissen aus einem geheimnisvollen physikalischen Stoff Information, der beliebig zwischen unterschiedlich strukturierten Systemen hin- und her übertragen oder von diesen umstandslos gespeichert werden könnte, noch ist es sinnvoll als Gut, Rohstoff oder gar Ware zu begreifen. Wissen ist auch nicht notwendigerweise nützlich oder wahr. Dafür ist ein Wissen, wahr oder nicht, immer Wissen, und Nichtwissen ist keineswegs einfach das Gegenteil davon.
Wissen ist, viel unscheinbarer als der klassische „reine Kristall“, rhizomartig vernetzte Redundanz, für die das sie prozessierende System sich selbst und kommunikativ anderen gegenüber einen Geltungsanspruch auf Richtigkeit erhebt; so aber generiert es laufend den Erscheinungen der Welt kognitiv und kommunikativ ihre (stabile) Bedeutung.