Geschichtsbild und Antifetischismus als Modi kritischer Bildproduktion
Anfang der 1970er Jahre drehen Jean-Luc Godard und Jean-Pierre Gorin mit Tout va bien, einem der letzten Filme der „Dziga-Vertov-Gruppe“, eine bis heute exemplarische Arbeit, will man die Problematik des politischen Bilds und der visuellen Welterzeugung verhandeln. Der Film nutzt verfremdende, persiflierende und reflexive Stilmittel, um in einen aporetischen Realismus einzuführen, der ein Schlaglicht auf das zeitgenössische Verhältnis von Politik und Ästhetik wirft:
Einerseits wird deutlich, dass die Radikalität des Realismus nicht in der Darstellung „objektiver Fakten“ oder dem Mimetisch-Repräsentativen liegt, sondern in einem kritischen Fiktionalisieren und Fabulieren, das uns sehen lässt, was gesellschaftlich nicht sichtbar ist. Der Film emanzipiert sich vom Vorrang linearer Narration und versetzt uns in eine diskontinuierliche, sprunghafte oder ereignislogische Zeit. Mit den Ton- und Bildspuren driften die konventionellen Sinnzusammenhänge auseinander und zwingen uns, Arbeits-, Geschlechter- und Lebensverhältnisse samt ihrer visuellen Darstellbarkeit neu und anders zu denken. Nicht Weltabbildung, sondern eine um das Ungesehene und Unbekannte organisierte, visuelle Welterzeugung manifestiert sich hier als wahrhaftige Wirklichkeitstreue.