Am Ursprung der Marktwirtschaft steht das Raubrittertum. Mit dem Begriff der „ursprünglichen Akkumulation“ („primitive accumulation“) bezeichnet man den meist gewaltsamen historischen Prozess, der der vertragsrechtlich geregelten Marktgesellschaft vorausgeht und sie jeweils auch ermöglicht. Er beschreibt sowohl die private Aneignung gemeinschaftlicher Güter (der „Allmende“, der „commons“) als auch die Trennung der Produzierenden von ihren Produktionsmitteln (das Bauernlegen, die Entstehung lohnabhängiger Arbeiter/innen), wodurch Arbeitskräfte und natürliche Ressourcen dem Prozess der Kapitalakkumulation zugänglich gemacht werden.
In der klassischen Diskussion sind auf diese Weise Formen der kolonialen Landnahme beschrieben – die Aneignung ferner Regionen und Geographien. Darüber hinaus hat die Figur der „ursprünglichen Akkumulation“ in der jüngeren sozialtheoretischen Debatte eine Renaissance erfahren, da sie auch aktuelle Entwicklungen der Umverteilung und der Privatisierung gesellschaftlichen Reichtums zu beschreiben erlauben.
Ausgehend von dieser Diskussion stellt sich die Konferenz der Frage, inwieweit auch Kunst und Ästhetik mit Fragen der privaten Aneignung kollektiver Ressourcen zu tun haben, mit ihrer nachträglichen Glorifizierung (als Beutekunst und Zurschaustellung gesellschaftlichen Reichtums) oder diskursiven Rechtfertigung (der „universelle“ Charakter westlicher, bürgerlicher Kunst), bzw. inwieweit die Urgeschichten sozialer Ungleichheit auch in die Ordnungen der Wahrnehmung eingeschrieben sind (die sinnliche Konfiguration des disziplinierten Subjekts der Arbeit, die Abstraktion des Sehens in der Erfolgsgeschichte des Modernismus, der exotisierende Blick des Orientalismus).
Dem Problemhorizont einer ursprünglichen Akkumulation der Ästhetik nähern sich acht internationale Wissenschaftler/innen aus verschiedenen theoretischen und historischen Perspektiven, um die Politik des Ästhetischen im Zusammenhang ökonomischer Gewaltprozesse zu begreifen.
Die Tagungssprache ist Englisch. Die Konferenz wird von der HfG Karlsruhe in Kooperation mit der Merz Akademie organisiert.